Rennbericht: Ironman Weltmeisterschaft Hawaii 2016

Ein solides Rennen und ein guter Saisonabschluss, würdig des Rahmens einer Weltmeisterschaft, so könnte man mein Rennen bei der Ironman Weltmeisterschaft auf Hawaii zusammenfassen. Solide und gut in einer Zeit, in der perfekt das Maß aller Dinge ist, klingt erfolgreich. Für perfekt fehlte dann doch das Überraschungsmoment mir gegenüber vor meiner eigenen Leistung, das ich diese Saison in jedem Rennen herbeiführen konnte.

In weiser Voraussicht der größten Schlägerei zu entgehen, somit jedoch einen weiteren Weg zurücklegen zu müssen, ordnete ich mich recht weit seitlich links auf der Startlinie ein. Eine Entscheidung, die sich definitiv ausgezahlt hat. Mit dem Startschuss sprintete ich, eines 200-m-Wettkampfs würdig, voll los. Mit dem Resultat: Keine Gekloppe, kein Getrete, kein Beinegeziehe, um mich herum gefühlt nur Wasser, Fische und der stille, weite Ozean… und natürlich Wellen, nicht extrem im Rahmen eines offenen Meeresgewässer, jedoch ausreichend um die Tempo- und Rhythmusfindung hinauszuzögern. Als Wettkampfrechtsatmer konnte ich mich an den rechts schwimmenden Kontrahenten orientieren und ersparte mir weitestgehend das kraftraubende Nachvorneblicken. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam endlich das Wendeboot in Sicht, nach einer zweiten Ewigkeit der Pier. Es zeigte sich das altbewährte Problem bei Offenen-Gewässer-Schwimmen die Auslastung und das Tempo nur kurzzeitig zu halten, das im Becken möglich wäre, und immer wieder in den Langstreckentrott zurückzufallen. Mit der Zeit von genau 56 Minuten bin ich dennoch zufrieden.

Am Tag vor dem Rennen musste ich meinen Powermeter gegen Vincents eines anderen Herstellers tauschen. Ein kurzer Vergleich vergangener Renndaten am Abend vorher ergab eine Differenz von ungefähr 30-50 Watt, die ich nun auf meinen Schnitt draufrechnen musste, so geplant. Dann nach T1 ein Schreckmoment: Mein Powermeter zeigte keine Werte an, obwohl ich ihn direkt vor dem Start eingestellt und kalibriert hatte. Mit geringerer Erfahrung auf der Langdistanz bin ich noch recht abhängig von der technischen Hilfe. Nach erneutem Hochfahren des Garmins funktionierte er zwar, an erneutes Kalibrieren war während der Fahrt aber nicht zu denken. Also blieb mir nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass die kalibrierten Werte und die Unbekannte des Powermetertauschs eine nicht zu große Differenz ergaben. Erst nach 30 km gewann mein Körpergefühl endlich Oberhand über die meinen technischen Support: Ich hatte gnadenlos überpaced. Also wurde von mir eine drastische Korrektur vollzogen: 60 Watt weniger und auf meine Regeneration hoffen. So schleppte ich mich von Getränkestation zu Getränkestation. Ein kurzes Wort dazu: Während die Helfer mit einer Leidenschaft ihren Job erledigten, zum Teil lange nebenher rannten und somit fast 2000 Sprints zurücklegten, waren die Getränkeflaschen ein Desaster. Ausgeteilt wurden Einweg-PET-Flaschen mit einem Deckel, der im geöffneten Zustand das Wasser in alle Richtungen spritzen ließ, außer der gewollten und einem Durchmesser geringer als jede Fahrradflasche. Da half auch der geliehene Flaschenhalter von Mike Vulanich nichts, dass einige Flaschen auf dem Weg verloren gingen und ich meine Flüssigkeitszufuhr mehrmals einige Kilometer einstellen musste. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an Mike. Nächstes Mal folge ich seinem Rat, ein auffüllbares Strohhalm-Getränkesystem zu verwenden´, das er mir extra mitgegeben hatte und rate es jedem auch so zu tun.

 

 

 

Durch die Streckenabschnittsbesichtigungen an den Tagen vorher hatte ich schon eine gewisse Ahnung bekommen, was mich von der Hitze und dem Wind her erwarten würde. Durch den Fahrtwind und regelmäßige Kühlung an Getränkestationen war die Temperatur am Wettkampftag für mich gut ertragbar. Mit dem Wind sah es etwas anders aus. Teilweise extremer Gegen- und Seitenwind, der Geschwindigkeiten von nicht einmal 20 km/h bergab erlaubten, zerrten nicht nur an den Nerven. Auch die Tatsache, dass der Seitenwind auf dem Rückweg nicht ausgeglichen werden würde, machte es nicht leichter. Ich war froh mein Vorderrad mit 79 mm Felgenhöhe gegen eine 46-mm-Variante getauscht zu haben.

Im Vorfeld des Wettkampfs hatte ich mir fest vorgenommen mich nicht über das Drafting meiner Mitwettkämpfer zu ärgern, sondern meine Energie voll auf das Rennen zu fokussieren. Jetzt im Nachhinein sind ein paar Worte erlaubt. Bei einer so hohen Leistungsdichte ist eine Gruppenbildung auf welligem Kurs nicht zu vermeiden. Was teilweise jedoch ohne Scharm direkt am Hinterrad des Vordermanns gefahren wurde, war einer Weltmeisterschaft und auch derer, die sich qualifiziert haben, nicht würdig und definitiv und ohne Ausreden vermeidbar. Auch eine höhere Anzahl und besser ausgebildete Kampfrichter, die das Geschehen richtig beurteilen, ist, so denke ich, für eine Weltmeisterschaft mit einem so hohen Antrittsgeld nicht zu viel verlangt. Damit auch genug zu diesem Thema. Wer sich Bilder anschaut wird meine Ansicht sicher teilen.

Ein bisschen geärgert über das Verhalten anderer Athleten auch während des Rennens habe ich mich dennoch. Es muss nicht sein ein Überholmanöver zu starten, sich dann direkt vor einen zu setzen, um dann die Wattzahl keine 100 m aufrecht halten zu können.

Nach 120 km und nachdem ich viele Gruppen ziehen lassen musste, hatte sich mein Körper soweit erholt, dass ich dem Tempo meiner Mitstreiter folgen und nun sogar meinerseits überholen konnte. Wenn ich hier von Erholung spreche, meine ich nicht die Frische meiner Beine, sondern das Gesamtgefühl angesichts der zurückgelegten Strecke. Die Müdigkeit stieg und stieg immer weiter an. Nach 160 km wollte ich einfach nur vom Rad, ungehindert der Tatsache, dass dann ein Marathon auf mich wartete. Hinzu kam mit jedem Kilometer, dem ich die Wechselzone näher kam, panische Angst vor einem Platten. Hatte ich die ersten 150 km kaum einen Gedanken daran verschwendet, war dieser nun mein ständiger Begleiter. Wahrscheinlich auch dem Streckenabschnitt verschuldet, an dem ich Tage zuvor zwei Platten auf 50 km Trainingsausfahrt vorzuweisen hatte. Von Raddefekten verschont, erreichte ich schließlich die Wechselzone.

Der Wechsel verlief gewohnt, leider wie gewohnt langsam. Eine weitere Sache, der ich mich in Zukunft noch annehmen kann. Zwar heißt es auf der Langdistanz käme es nicht auf Sekunden oder Minuten an, rechnet man jedoch die Zeit auf einen Marathon hoch, muss jeder Kilometer bereits ein paar Sekunden schneller gelaufen werden. Ein paar Sekunden, die sehr wehtun können. Tage zuvor hatte ich mir das Boa-System an die Wettkampfschuhe schnüren lassen, eine Entscheidung, die ich nicht bereue. Der Wechsel an sich lief nicht schneller ab, die Festigkeit kann jedoch gut dosiert werden und ein Lockern oder gar Aufgehen der Bändel ist unmöglich.

Bestens vorbereitet mit Armcoolern, Bandana und Visor ging es auf die Laufstrecke. Nach 200 m hatte ich mein Tempo gefunden, nach 2 km meinen Visor verloren. Wie auch bei meiner ersten Langdistanz musste ich mich damit zurecht finden, dass die ersten Kilometer Massen an Läufern an mir vorbei zog, die ich fast alle später auf der Strecke wieder einsammeln konnte. So konnte ich mein Anfangstempo, An- und Abstiege mal ausgenommen, bis zum Ende durchziehen. Die Verpflegungsstellen waren etwa im Abstand von einer Meile aufgebaut. Weit genug, um das Tempogefühl durch Geh- und Stehpausen, die ich zum ersten Mal bei einem Wettkampf mir gönnte, aufrechtzuerhalten, aber nah genug um der Hitze und der Sonne, die pünktlich mit meinem Zieleinlauf hinter den Wolken verschwand, entgegenwirken zu können. Ich nahm an den Getränkestationen alles an, was ich fassen konnte. Meist sah das folgendermaßen aus: Zwei Schwämme über dem Kopf ausdrücken, Wasser an die Armlinge und an den Körper, Wasser halb getrunken halb verschüttet, Iso halb getrunken, halb auf den Anzug, Eis in den Anzug, Wasser getrunken, Wasser übergeschüttet, Schwämme ausgedrückt. Alle fünf Kilometer kam ein Gel dazu, das meist am Ende der Getränkestation gereicht wurde, sodass ich es eine Meile in der Hand halten musste, bevor ich es mit Wasser runterspülen konnte. Einige Male war dieses schon aufgerissen, was den Transport nicht erleichterte. Gewöhnlich mit Apfel, Zitrus- oder Früchtemix konfrontiert, waren die Gels mit Schokolade- und Mokkageschmack nicht jedermanns Sache. Dabei hatten sie eine sehr zähe Konsistenz. Nicht ganz einfach zu schlucken. Wer schon versucht hat den Inhalt einer Zahnpastatube in Sekundenschnelle zu verdrücken, weiß wovon ich spreche.

Vom vielen Wasser auf und neben den Körper, sowie einiger mit Gartenschläuchen ausgestatteter Passanten wurden die Schuhe immer schwerer. Kilometerweit konnte man anhand des Quietschens der Schuhsohlen seine Kontrahenten identifizieren. Am Ende des Wettkampfs sahen meine Füße aufgeweichter aus, als nach einem 24h-Schwimmen.

 

Kaum vorstellbar, aber trotz Erschöpfung durch das Radfahren sind die ersten 30 km des Marathons recht entspannt zu laufen. Erst danach gewinnt die Ermüdung Oberhand und zwingt den Kopf zu Höchstleistungen. Doch zum Glück war ich mit Motivatoren von allen Startern am besten ausgestattet. Wäre es nach der Anzahl an Supportern gegangen hätte ich sogar weit vor Jan Frodeno und Sebastian Kienle ins Ziel kommen müssen. Doch nicht nur Anzahl der Unterstützer, auch die Anzahl der Stellen an denen sie überall waren, war der Wahnsinn. Zum Teil musste ich mich vor Verdutzen vergewissern, dass sie schon wieder am Wegrand standen, während sie mich keine Meile vorher bereits mit Zwischenzeiten und Platzierungen versorgt hatten. Bis zur Hälfte des Marathons widmete ich meine Gedanken vor Allem den Getränkestationen, ab dann begann ich immer wieder aufs Neue durchzurechnen, welche Pace zu welcher Zeit führen würde. Die anfangs noch angestrebte Endzeit unter 9:30 h rückte ab dem Anstieg im Energy Lab immer weiter in Ferne. Letztendlich fehlte die letzte Kraft an den gefühlt zunehmend steiler werdenden Bergen um dieses Ziel zu erreichen. Dennoch bin ich recht zufrieden mit meinem Ergebnis. Obwohl ich einige Minuten auf dem Rad liegen ließ, habe ich mich bei meiner Hawaii-Premiere und meiner zweiten Langdistanz ordentlich geschlagen. Nun bleiben mir noch drei Jahre in der AK25 um meine Top20-Platzierung auf ein Optimum zu reduzieren. Ein weiteres Langzeitziel wurde somit geschaffen: Kona 2019! Dort heißt es dann wieder: #triaufsieg