Diskriminierung im Triathlonsport – Frauenläufe

Prolog: Ich habe einen Traum. Ich sitze an der Strecke und feuere meine Freundin bei ihrem Triathlon-Wettkampf an. Ja, ich sitze. Ich bin zu kaputt vom Sechs-Kilometer-Iron-Boys-Run am Tag zuvor.  Um meinen Hals baumelt meine hart verdiente Iron-Boys-Run-Finisher-Medaille und ich trage meine Iron-Boy-Finishershirt, auf dem groß der Slogan „Jungs, jetzt seid ihr dran“ prangert. Ich bin in dem Traum kein kleiner Junge mehr. Zusammen mit meinem Vater habe ich den dritten Platz in der Iron-Boy-Father-Son-Wertung erzielt und einen Gutschein vom örtlichen Baumarkt gewonnen. Hammer!

Ich wache auf. Es war nur ein Traum. Unvorstellbar in der Realität?

 

Es ist so weit, die Triathlonsaison ist im Gange. Neben kleineren Veranstaltungen sind auch wieder zahlreiche Athleten bei den Rennen der großen Veranstaltern IRONMAN und Challenge rund um den Globus am Start. Als Side-Event von diesen Triathlon-Wettkämpfen finden immer häufiger Frauenläufe statt. Unter dem Motto „Mädels, jetzt seid ihr dran!“ bewirbt beispielsweise der Veranstalter Ironman den „Iron Girl“. Wer beim Iron Girl und der Anrede „Mädels“ einen Kinderlauf für Mädchen sich vorstellt, hat weit gefehlt. Haltet euch an euren rosa Plüschtieren fest: Das Mindestalter beim Iron Girl ist zwölf Jahre.

 

Der Ironman Kraichgau Frauen-Lauf beispielsweise ist ein Wettkampf über sechs Kilometer und laut Veranstalter "genau das Richtige für alle Mädels, die nach einer echten Herausforderung suchen“. Alle Teilnehmerinnen des Iron Girl erhalten eine „hart verdiente“ Iron Girl Medaille und ein Iron Girl Shirt. Die Iron Girl Wertung beim Iron Girl Kraichgau, bei dem es Gutscheine eines Schmuckgeschäfts zu gewinnen gibt, ist in Iron Girl Single, Iron Girl Girlfriends, Iron Girl Sisters und Iron Girl Mother-Daughter aufgeteilt. Die Übersetzung der Iron Girl Mother bringt selbst große Nachschlagewerke in Bedrängnis. Doch google hilft. Die jüngste Mutter Deutschlands ist zwölf Jahre alt und kann somit gerade so an der Veranstaltung teilnehmen. Ob sie mit ihrer Tochter in die Wertung kommt, ist auf Grund des Zeitlimits jedoch fraglich.

Unabhängig davon, dass ich mich an dem Namen der Veranstaltung Iron Girl ("Bügeleisenmädchen"?) und der Anrede erwachsener Frauen als Mädels störe (Möchten erwachsene Frauen wirklich als Girls und Mädels angeredet werden?) sind die Frauenläufe meiner Meinung nach eine Diskriminierung von Frauen und Männern gleichermaßen. Das Pendant der Marke Challenge ist zumindest im Namen, aber leider auch nur dort, weniger diskriminierend. Bei der „Challenge Woman“ werden Frauen wenigstens als solche angesprochen.

 

Der Lauf ist also eine echte Herausforderung für Frauen und die Finisher-Medaille hart verdient?

Meiner Meinung nach impliziert bereits das Ausrichten einer solchen Veranstaltung die Ansicht, dass insbesondere Frauen allgemein nicht in der Lage sind, es ihren männlichen Partnern gleichzutun einen Triathlon zu bestreiten und daher am Tag vorher ihre eigene echte Herausforderung bekommen möchten. Ebenso geht es in die Richtung, dass Männer bei einem Sechs-Kilometer-Lauf keine Herausforderungen sehen dürfen, sondern in der Lage sein müssen, zumindest eine olympische Distanz zu finishen.

Die Tatsache, dass hunderte Frauen am nächsten Tag über die Mittel- bzw. Langdistanz am Start stehen und vielen Männern sportlich den Rücken zeigen, wird hierbei völlig ignoriert. Ungeachtet wird auch das Faktum, dass auch männlichen Partner an der Strecke stehen, sich am Bauch kratzen und davon träumen die 50 Meter zum Kühlschrank in unter fünf Minuten zurücklegen zu können, ohne hinterher wieder loslaufen zu müssen, weil das Bier vor lauter Dehydration bereits leer ist, wenn sie wieder beim Sofa angekommen sind. Sie träumen vielleicht auch von der echten Herausforderung und es ihren Partnerinnen irgendwann gleich zu tun!

Explizit positiv möchte ich das Beispiel des Women’s Marathon San Francisco aufführen. Zwar ist die Veranstaltung ebenfalls nur für Frauen geöffnet, diese jedoch legen die volle Marathondistanz zurück. Gerade die schnellsten Frauen können hier die verdiente Aufmerksamkeit bekommen, die leider, seien wir mal ehrlich, zu häufig im Feld der Männer untergeht.

 

So sind  „Hart Verdiente“  und „echte Herausforderung“ ausdrücklich nicht abwertend gemeint. Abgesehen, dass dies die Veranstalter bereits für mich übernehmen, indem er dies z.B. beim Iron Girl extra erwähnen, bei der Mitteldistanz jedoch nicht, hat jeder, Frau und Mann, irgendwann mit den ersten Schritten begonnen und es freut mich bei jedem zu sehen, wie er den Laufsport, Triathlon oder allgemein Bewegung für sich entdeckt. Aber wieso hab ich als Mann nicht das gleiche Recht mit einem Sechs-Kilometer-Lauf meine Sportlerkarriere zu starten und am nächsten Tag meiner Freundin vom Streckenrand zuzujubeln?

Ich verstehe auch, dass viele Partner, Freunde und Familie in der Wettkampfvorbereitung ihrer Liebsten einige Kompromisse eingehen mussten. Das Hauptgesprächsthema ist der Triathlon und zum Wettkampf hin fällt immer häufiger der Satz „Heute nicht, Schatz, ich muss regenerieren.“. Ein solcher Lauf würdigt ihre eigene, oftmals nicht weniger beeindruckende sportliche Leistung und bringt ihnen vom Streckenrand die Aufmerksamkeit und Dank für ihre Unterstützung entgegen. Durch den reinen Frauen-Lauf bleibt diese Wertschätzung vielen Partnern verwehrt. 

 

Ich möchte niemandem diesen Lauf madig machen. Ganz im Gegenteil. Ich will ihn für noch mehr Leute öffnen. Mein Vorschlag: Schafft den Frauenlauf ab und generiert einen Supporter-Run, bei dem jeder willkommen ist. Ist das nicht eine Vorstellung für die Zukunft, mit der jeder leben könnte?

Und ich? Ich kann dann wieder von anderen Dingen träumen: #Hawhynot2019.

 

#CoachProE #Sracingteam