Warum die Mitteldistanz mehr als nur eine Halbdistanz ist – und was die Verwendung des Begriffs über unsere heutige Gesellschaft aussagt

Jeder der was von sich hält, musste früher einen Marathon absolviert haben. Heutzutage ist Triathlon der neue Marathon und als ob das nicht genug wäre, muss es eine Langdistanz sein. Bei vielen auch noch ein Wettkampf der Marke Ironman. Die Langdistanz ist quasi der Maßstab aller Dinge.

Dies merkt man auch im Begriff Halbdistanz, den viele für mich unverständlicherweise synonym zu Mitteldistanz verwenden. Aber was ist die Distanz und wann ist sie voll, oder halb, halb leer oder halb voll? Denn anders als beim Marathon, wo die festgelegte Distanz von 42,2 km zu bewältigen ist und man beim Halbmarathon entsprechend die Hälfte dieser Strecke zu absolvieren hat, gibt es beim Triathlon keine festgelegte Strecke, die als Die Distanz bezeichnet wird.

Warum tue ich mich mit dem Begriff Halbdistanz so schwer? Sollte ich mit mehr Distanz an die Sache herangehen?

Ich denke die Mitteldistanz mit z. B. der Challenge Championship oder der 70.3-WM, die Kurzdistanz im Glanz der Olympischen Spiele und die Sprint-Distanz, wie sie in der Weltmeisterschaftsserie und Bundesliga eine große Bühne bietet, haben ebenso oder eben gerade die Berechtigung als Die Distanz bezeichnet zu werden. So wäre am Beispiel der Kurzdistanz als Die Distanz eine Mitteldistanz die Doppeldistanz und ein Sprinttriathlon als Halbdistanz charakterisiert. Wo der nächste Fehler liegt. Der Begriff halb, wertet meiner Meinung nach die Leistung jeder Triathlon-Distanz ab. Ja, man hat es geschafft, aber eben nur zur Hälfte, von dem was erwartet wird. Bricht man zum Mount Everest auf und kehrt nach der Hälfte um, hat man den Gipfel nicht erreicht, man hat versagt und die Anerkennung ist nicht mal halb so groß wie einer erfolgreichen Besteigung. Anders gefragt: Ist ein 400-m-Läufer halb so gut wie ein 800-m-Läufer?

Viele denken, sie müssen in ihrem Leben eine Langdistanz gefinisht haben. Wer denkt, er muss es tun, aus welchen Gründen auch immer, ob aus Angeberei oder zum Aufwerten des Lebenslaufs, hat schon verloren. Ich sag gerne zu meinen Athleten, sie müssen gar nichts. Entweder sie wollen oder sie wollen nicht. Wollen sie nicht, ist das auch in Ordnung. Oder um Loriot (bzw. in abgewandelter Form Wilhelm Bendow) zu zitieren: „Wenn er will […], dann macht er’s. Wenn nicht, dann will er gar nicht, ne. […] Wenn er‘s nicht macht, dann hat er nicht gewollt, oder er konnte nicht.“ Er konnte nicht, da wären wir beim nächsten Punkt.

Ist das bloße Bewältigen einer Langdistanz in unter 17 h bereits eine Leistung, die man als solches anerkennen muss? Ich denke ganz klar: jein. Als gesunder dreißigjähriger Gelegenheitssportler mit eine Ausdauersportart als Hintergrund sollte das Absolvieren dieser Distanz in der vorgegebenen Zeit kein Problem darstellen. Spricht man über einen Übergewichtigen in seinen späten 50ern ist dies ein respektabler Verdienst. Dennoch ist meiner Meinung nach ein Supersprint-Triathlon angemessen schnell zu finishen allgemein sportlich deutlich höher einzuschätzen als das bloße bewältigen von 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,2 km Laufen. Leider sieht das die Allgemeinbevölkerung anders.

Daher meine Appelle:

1. Nennt die Dinge beim Namen. Jeder Triathlon ist eine Volldistanz. Muss man nach der Hälfte aussteigen, kann man sich dies mit dem Begriff Halbdistanz-Finish schön reden. Ansonsten hat der Begriff nirgends was verloren.

2. Ein Langdistanzfinish macht noch keinen Triathleten. Sich als Triathlet zu bezeichnen, macht noch keinen Champion. Dazu gehört eben doch noch Training, Einsatz und der Wille, das Optimum rauszuholen.

3. Macht euch nicht kaputt. Trainiert ordentlich und finisht eine Sprint- oder Triathlon über die Olympische Distanz ohne ins Ziel kriechen zu müssen. Es macht mehr Spaß und die Fachkundigen werden die Leistung zu recht höher einzuschätzen wissen, als das Ziel bei einer Langdistanz irgendwie erreicht zu haben.

4. Muss es doch über die Ironman-Distanz gehen, nehmt euch Zeit. 2-3 Jahre Minimum mit konsistentem Training. Ja, es kostet Zeit, Schweiß und Energie. Aber am Ende ist es viel mehr wert und befriedigender, als ohne Training einen Großteil der 42 km gehen zu müssen. Und vielleicht merkt ihr ja im Laufe des Trainings, dass schnell auf einer kürzeren Strecke für die eigene innere Ruhe befriedigender ist.

5. Auch wenn es vielleicht nicht Die Distanz, sondern nur eine von vielen ist, freue ich mich trotzdem über eure Unterstützung beim Ironman Hawaii. Ich versuche auch nicht ins Ziel zu kriechen. Versprochen! #justsmileandtrain #lachtat #triandaero

 

 

6. Off topic, aber immer aktuell: Still hungry for cure https://www.fpwr.org/