Meine Erfahrung als Pace-Maker - oder: Betreutes Laufen, eine Zerreißprobe für die glückliche Ehe

Man sieht es noch vor sich: 2017 in Monza. Kipchoge fliegt über den Formel-1-Kurs, während drei Pace-Maker ihm von allen Seiten Windschatten spenden und versuchen das irrsinnige Tempo von knapp 2:51 min/km hochzuhalten. So ähnlich war meine Vorstellung vor ein paar Monaten, als mich meine Frau Alessa fragte, ob ich sie beim Halbmarathon in Karlsruhe zu einer neuen Bestzeit ziehen könnte. Nur ich, nicht zu dritt, meine Schultern aber umso breiter ;). Ich war sofort begeistert von der Idee. Auch von der Aussicht einfach mal die Stimmung eines Wettkampfs genießen zu können ohne, angesichts des Ironman Hawaii in drei Wochen sinnvollerweise, all-out gehen zu müssen und endlich mal stellvertretend für die letzten hundert Wettkämpfe alle Kinder abzuklatschen, ob sie wollen oder nicht. Wie in London der laufende Big Ban oder in Berlin das laufende Brandenburger Tor, sah ich mich schon als Karlsruher Schloss über die Strecke fliegen. Leider war das Outfit beim Kostümverleih bereits vergriffen, woraufhin ich mich zur Erleichterung meiner Begleitung für das unauffälligere des Läufers entschied.

Eigentlich war meine Aufgabe das richtige Tempo zu finden nach 2-3 km bereits erledigt. Von da an übernahm Alessa die Tempo-Regie ihres eigenen Laufes. Ich versuchte nicht im Wege zu stehen und die Innenkurven frei zu halten. Ab und an ein Becher mit Wasser zu reichen. Zwischendurch erzählte ich ihr Dinge, über die ich gelesen oder gehört hatte, ohne auf eine Antwort zu hoffen. Ich teilte ihr Zwischenzeiten mit oder rechnete aus, welche Pace für welche Zeit noch reichen wird. Dann versuchte ich sie einfach nur zu motivieren. Irgendwann war ihr auch das zu viel und die Devise lautete „Wir laufen, aber wir reden nicht“. So sprang am Ende die Pulverisierung ihrer alten Bestzeit heraus, auch wenn sie sich angesichts ihrer Trainingszeiten berechtigterweise noch mehr erhofft hatte.

Und meine Erkenntnisse? Konstant Laufen soll gekonnt sein. Auch die Wahl der Themen soll im Vorhinein genaustens überdacht werden. Während Eis und Wassermelone an besonders heißen Tagen, weniger zur Motivation beitragen, kann man mit Kant und Schopenhauer nur auf den ersten fünf Kilometern punkten. Wortwitze finden hingegen auch in der finalen Phase des Rennens noch Anklang. Und manchmal ist einfach nur Schweigen Gold. Um der Ehe willen…

Ob ich es wieder machen würde? Jederzeit! Aber ob mit mir oder ohne mich wird bei Alessa nächstes Mal eine Bestzeit wieder nicht nur um wenige Sekunden fallen.

 

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Noch erwähnenswert: Einer meiner Athleten, Benedict, konnte mit einer Zielzeit von 1:18:55 h ebenfalls seine Bestzeit deutlich unterbieten. Eine ganz starke Leistung im Rennen und vor allem in der ganzen Saison mit gewissenhaftem und konsistentem Training. Daher überraschend kam das nicht wirklich. #trainingwirkt

 

 

Off topic, aber immer aktuell: Still hungry for cure https://www.fpwr.org/